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Zettelkasten

Der Holocaust hat durch den massenhaften Mord jüdischer Mitbürger und die Auslöschung jüdischer Kultur klaffende Lücken gerissen. Eine davon ist das Grundstück der ehemaligen Synagoge Marburgs.
Die Arbeit “Zettelkasten” des Künstlerteams Oliver Gather und Christian Ahlborn ist ein Versuch, diese Lücke durch die Schaffung eines Ortes der Erinnerung und der Kommunikation wieder mit Leben zu füllen. Das Kunstprojekt besteht aus zehn Kästen mit Zitaten, die in der Grundfläche des Gebetsraumes der Synagoge eingelassen sind.

Am Anfang der Auseinandersetzung mit der Neugestaltung der Gedenkstätte stand für uns die Frage, welche Funktion solche Orte haben können und für wen sie eigentlich da sind. Reicht es aus, Steine oder Skulpturen in eine mehr oder minder gepflegte Grünanlage zu stellen,reicht ein Stein gewordenes „Nie wieder?“

Uns war schnell klar, dass gerade an einem Zeitpunkt, an dem wir zukünftig ohne Zeitzeugen auskommen müssen, an dem die Schrecken und Verbrechen des Holocaust endgültig zu “Geschichte” werden, ein Ansatz, der auf dem Weiterführen von Kommunikation basiert, notwendig und sinnvoll ist.

Gedenk- und Erinnerungskultur droht nur dann nicht zu einer Geste der Betroffenheit zu erstarren, wenn wir uns weiterhin darüber austauschen, was passiert ist, was dies mit uns gemacht hat und welche Bedeutung dies für unser Handeln, unsere Haltung heute und in Zukunft hat. Die Zettelkästen sind der Versuch, einen solchen Diskurs anzuregen und zu dokumentieren.

Die erste Bestückung der Zettelkästen

Den Auftakt der Zettelkästen machen zehn Zitate aus Gesprächen mit überlebenden Bürgern der ehemaligen Jüdischen Gemeinde und deren Kindern, also den Menschen, die einen unmittelbaren biografischen Bezug zum Ort der Synagoge haben. Wir haben sie im Januar 2012 in Israel besucht und gefragt, was sie mit Marburg verbindet, was ihnen dieser Ort bedeutet und was hier gesagt oder vermittelt werden soll und kann.

Wir waren von der Gastfreundschaft, der Herzlichkeit und dem ernsthaften Interesse für die Entwicklung der Gedenkstätte in Marburg beeindruckt. Für uns persönlich eindrucksvoll war auch – angesichts des erlebten Unrechts und des tragischen Verlusts geliebter Menschen und der Heimat -, wie tief die Verbundenheit mit Marburg, mit Deutschland auch in der zweiten Generation noch ist. Eine Verbundenheit, bestehend aus einer schwierigen Mischung von Trauer, Zweifel und der Gewissheit, dass trotz einer israelischen Identität nicht wenige Wurzeln immer noch in Marburg liegen
In den nächsten Jahren wird der Dialog fortgeführt. Andere Personengruppen werden sich mit diesem Ort auseinandersetzen, und die Zettelkästen nehmen dann, kontinuierlich wechselnd, Zitate aus neuen Gesprächen auf.

Die unten stehenden Zitate werden
im Garten des Gedenkens in den Zettelkästen gezeigt


Einer von
zehn Zettelkästen

Interviews

Ilse Feibel

Sarah Gabriely

Eli Gimmon

Zvi Gimmon

Gabriel Goldschmidt

Yoram Jacobson